Wir schreiben den 7. Oktober 2010, Montevideo steht still. Moment, nicht ganz. Die Studenten der Universidad Católica besuchen nach wie vor ihre Vorlesungen, eine diagnostiziert während einer Gruppenarbeit zwei Seuchen: Wikipedia und Copy & Paste. Therapie aussichtslos. 60% der Busse der Firma Cutcsa sind im Einsatz, d.h. auf dem Weg zur Uni sieht man vereinzelt welche fahren. Schon am Mittwochabend bildete sich eine Schlange vor der Medica Uruguaya (Krankenhaus), als Menschen auf Taxis warten mussten. Ab 20 Uhr am Mittwochabend setzte der Generalstreik ein. Mich als Fußgängerin hat er zum Glück nicht betroffen (Freunde haben sich fahren lassen oder sind zur Uni gelaufen), aber es war sichtbar, dass irgendetwas anders ist. Weniger Menschen auf der Straße, kaum Läden offen, kaum öffentliche Verkehrsmittel... es war noch weniger los als an einem ganz gewöhnlichen Sonntag in Montevideo. Jedoch war diese "Ruhe" (im Vergleich zu sonst) ganz angenehm, einmal weniger Omnibusabgase einatmen und weniger Verkehrslärm. Das Leben in der Stadt ist laut und dreckig. Das macht es nicht weniger aufregend, ist aber die andere Seite der Medaille. Am Mittwoch, als wir von unserer Schule in die Stadt zurückgefahren sind, wurden wir im Bus 17 Zeuge eines Trommel- und Singkonzertes einer Gruppe. Es war unglaublich laut und die Busfahrt dauert ca. 40 min. Ich meinte zu David, dass ich mich nicht auf meine Rückkehr nach Deutschland freue, aber einige ruhige Stunden in meinem Kaff durchaus schätzen werde. Ich höre hier (wie auch schon im Stuwo in HN) kaum noch selber Musik, wenn man oft den ganzen Tag von den Mitbewohnern beschallt wird, braucht man selber keine mehr. Im Moment ist es ganz still im Wohnheim. Man merkt, dass heute Streik war, die öffentliche Uni hatte zu und viele sind schon im Wochenende. Ja, Professoren und Lehrer streiken hier auch! Alle meine Profs haben aber auch noch einen anderen Job, hier wird man als Lehrender schlecht bezahlt. Einer arbeitet z.B. bei Roche Uruguay, der andere bei ANCAP (staatlicher Gas-/Kraftstoffversorger). Prof ist man hier wirklich aus Berufung und nicht, weil man sich nach einem anstrengenden Berufsleben zur Ruhe setzen will. Eine Korrelation mit der Qualität der Vorlesungen gibt es aber nicht. Meine Produktionsmanagement-Vorlesung ist die Herausforderung schlechthin... und nächste Woche ist ein Parcial (Zwischenprüfung) angesagt.
Meine ersten Resultate waren aber sehr gut (ich hab meine Ansprüche hier deutlich nach unten korrigiert): Parcial Teoría Muy Bueno (zweitbeste Note) und Quiz Prod.Mgmt 80%...
Am WE brauch ich aber dringend eine Luftveränderung, ungeachtet des Parcials. Wo es hingeht, steht noch in den Sternen und entscheidet sich morgen. Leute zum Reisen zu finden ist auch nicht immer so einfach bei einer zersplitteten Intercambio-Gruppe und Freunden, die irgendwie immer andere Pläne haben. Aber es wird schon. Nach der lernlastigen Woche schreit mein Travel Bug sehr laut. Na ja, das letzte WE war dafür wirklich aufregend und die Unipflichten kann man hier halt nicht das ganze Semester lang ignorieren ;)
Liebe Grüße vom Nachtmensch
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